Stellungnahme von Paul Seaman im Namen des „Zurich Salon“ als Antwort auf den Artikel von „Geschichte der Gegenwart“
In meiner Funktion als Eventmanager des „Zurich Salon“ organisierte ich am 20. Oktober 2018 an der Universität Zürich das „Battle of Ideas Festival“ in Zürich. Es war eine Satellitenveranstaltung eines etablierten, grossen Festivals in London, das seit 2012 jährlich im Barbican Centre, Europas grösster Kunst- und Kultureinrichtung, stattfindet. Das „Battle of Ideas Festival” wurde 2005 an der Universität „Royal College of Art“ in London gegründet.
In Zürich kamen unsere Referenten und Moderatoren aus ganz Europa. Dazu gehörten Akademiker, Journalisten, Praktiker, Politiker und Sozialunternehmer. Einige waren Atheisten, andere religiös, einige repräsentierten die politische Linke, andere waren libertär und andere hatten eine umweltpolitische Perspektive. Eine solche Vielfalt an Debattierenden ist der Kern jeder „Battle of Ideas“, ob sie in London, Berlin oder Zürich stattfindet. Auch unser 175-köpfiges Publikum war vielfältig – es wurde von der Aussicht auf eine breit angelegte Debatte in englischer und deutscher Sprache angezogen.
Die sechs Debatten, die wir führten, umfassten Politik und Religion, Feminismus und Migration, das Erbe der Gegenkultur und die Zukunft der Stadt. Es stimmt, dass sie zu lebhaften und manchmal hitzigen Diskussionen führten. Aber in einer Zeit, in der viele Menschen in ganz Europa besorgt über die aktuellen Herausforderungen sind, ist das genau das, was eine richtige „Battle of Ideas“ bewirken soll. Es gab eine enorme Anzahl von durchdachten und kritischen Publikumsbeiträgen aus widersprüchlichen Perspektiven. Die Veranstaltung kann deshalb nur als grosser Erfolg gewertet werden.
Ich war schockiert, was ich dann im „Geschichte der Gegenwart“-Blog las: Ich hatte angeblich etwas organisiert, das Verbindungen zur Alt-Right und White-Supremacy-Ideologie, eine teilweise rechte Agenda und versteckte Sponsoren hatte. Laut „Geschichte der Gegenwart“ finanzierte oder steuerte Big Pharma oder eine andere ungenannte Quelle die „Battle of Ideas Zurich“. Die angeblichen Hintermänner hätten ihre wahren Absichten hinter dem Slogan “free speech allowed” – freie Meinungsäusserung gestattet – versteckt.
Ich möchte hier klarstellen: Alle Organisationen, die Gelder oder Sachleistungen zur Verfügung stellten, wurden in unseren Broschüren und auf unserer Website ausführlich beschrieben. Das gilt für das Mutter- wie alle Satellitenfestivals der „Battle of Ideas“. Die Vielfalt der Finanzierungsquellen beugt einer Abhängigkeit vor. In Zürich stammte die gesamte Finanzierung aus lokalen Quellen. Leider gab es kein unternehmerisches Engagement. Die ganze Veranstaltung kostete rund 12‘000 Fr. Die Buchhaltung ist ausgeglichen, es gab keinen nennenswerten Gewinn oder Verlust.
Unsere Redner stellten ihre Zeit freiwillig zur Verfügung, weil sie die Themen, über die wir diskutierten, als wichtig erachten. Es gab auch viele Helfer, die sich freiwillig und unbezahlt an der Organisation beteiligten. Der Autor des besagten Artikels in Geschichte der Gegenwart erhielt ein Gratis-Ticket, weil er die Eintrittsgebühr für unerschwinglich hielt. Ironischerweise ist die einzige Debatte in Zürich, die vom Autor kritisiert wird, diejenige über Feminismus, an der er nicht teilgenommen hat. Er hatte scheinbar nichts zu sagen über die Debatten, die er miterlebt hatte. Wir luden auch zwei Mitglieder der Redaktion von „Geschichte der Gegenwart“ ein, um an unserer Veranstaltung zu sprechen: Franziska Schutzbach und Svenja Goltermann. Leider sagten beide mit der Begründung ab, sie seien anderweitig engagiert.
Der „Zurich Salon“ organisiert seit 2014 öffentliche Debatten, die sich für die freie Meinungsäusserung einsetzen. Wir behandelten Themen wie “Privatsphäre im digitalen Zeitalter”, “Die Grenzen und Potenziale der Neurowissenschaften”, “Was ist Zeit?” und “Was macht Kunst großartig?”. Wir debattierten auch politisch: Etwa über Menschenrechte, Souveränität und Demokratie oder die Frage, warum sich so viele Westler terroristischen Gruppen anschliessen.
Unseren Veranstaltungen liegt immer dasselbe Prinzip zugrunde: Eine in gutem Glauben geführte Debatte ist per se positiv. Bezeichnenderweise war der rechtsextreme Gesichtspunkt der einzige, der in jeder Debatte des „Zurich Salon“ eindeutig fehlte.
Aber „Geschichte der Gegenwart“ will uns jetzt glauben machen, dass das Publikum dem, was es bei unseren Veranstaltungen sieht und hört, nicht trauen kann. Angeblich gibt es dunkle Kräfte, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Laut „Geschichte der Gegenwart“ sollten auch einige Themen nicht diskutiert und gewisse Kontrahenten nicht eingeladen werden. Akzeptierten wir diese Denkweise, würden viele weit verbreitete Standpunkte einfach ausser Acht gelassen. Anders gesagt: Ein wirklich offener, ziviler Diskurs zwischen Gegnern würde aufhören. Doch der Artikel in „Geschichte der Gegenwart“ fordert genau das, indem er die Universität Zürich unverblümt auffordert, der „Battle of Ideas“ kein Gastrecht mehr zu gewähren.
Hier ist, was Alastair Donald von den Londoner Organisatoren des „Battle of Ideas“-Festivals zu sagen hat:
„Ob Jean-Jacques Rousseau, Calvinismus oder Dadaismus, die Schweiz ist seit jeher die Heimat grosser Denker und hat wichtige intellektuelle und künstlerische Strömungen hervorgebracht. In einer Zeit, in der westliche Gesellschaften vor neuen Herausforderungen stehen und seismische Veränderungen durchlaufen, waren wir daher erfreut, die „Battle of Ideas“ nach Zürich zu bringen.
Heute sind die Stadt und ihre Institutionen – vielleicht auch angetrieben durch das einzigartige Engagement der Schweiz für eine offene und direkte Demokratie – die Orte, an denen viele der wichtigsten Themen in Europa Gegenstand von Forschung, intellektuellem Engagement und öffentlicher Debatte sind. Von der Zukunft Europas über die Frage, wie die Gesellschaft der Bürgerschaft einen Sinn geben soll, bis hin zum Verhältnis von Religion und Staat zu neuen Modellen für die Zukunft der Städte – jede der Debatten am Zürcher Festival war Gegenstand lebhafter Diskussionen und einer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Rednern und einem engagierten Publikum. Es war eine Freude, mit einer Reihe Partnern zusammenzuarbeiten, die sich dafür einsetzen, Freidenker zusammenzubringen.
Leider teilen nicht alle das Engagement des Festivals, Ideen ungehindert zu erforschen und nach Wahrheit zu suchen. Doch inmitten einer Krise des guten Willens zu Beginn des 21. Jahrhunderts schafft konspiratives Denken eine korrosive Atmosphäre in der Zivilgesellschaft. Viel zu oft führt ein erklärter Wunsch, die Diskussion zu fördern, heute zu einer Suche nach versteckten Tagesordnungen oder zu einer Weigerung, zu akzeptieren, dass Menschen ihre Meinung ganz einfach äussern, weil sie wirklich daran glauben.“
Der „Zurich Salon“ ist stolz darauf, mit dem „Battle of Ideas Festival“ in London verbunden zu sein. Wir werden es weiterhin in Zürich veranstalten, denn auch wir halten es für sehr wichtig, leidenschaftliche, seriöse öffentliche Gespräche über die Zukunft in Gang zu setzen.
Bitte hegen Sie keinen Zweifel, dass die Veranstaltungen des „Zurich Salon“, einschliesslich der „Battle of Ideas Zurich“, immer transparent, lokal finanziert und in Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnern organisiert wurden. Das wird auch in Zukunft so bleiben.